Tagungsprogramm Workshop Delhi 2018

    
  



















Abbildungen auf dem Titelblatt

Reihe 1 (von links): Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), Thomas Mann (1875-1950),
Heinrich von Kleist (1777-1811), Bertolt Brecht (1898-1956), Alexander von Humboldt (1769-
1859), Andreas Gryphius (1616-1664), Else Lasker-Schüler (1869-1945)

Reihe 2: Ingeborg Bachmann (1926-1973), Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781), Heinrich
Heine (1797-1856), Max Horkheimer (1895-1973), Heinrich Böll (1917-1985), Anna Seghers
(1900-1983), Theodor W. Adorno (1903-1969)

Reihe 3: Mascha Kaléko (1907-1975), Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848)

Reihe 4: Christoph Martin Wieland (1733-1813), Georg Klein (*1953)

Reihe 5: Alexander Gottlieb Baumgarten (1714-1762), Paul Celan (1920-1970), Peter Handke
(*1942), Jan Wagner (*1971), Heinrich Mann (1871-1950), Marie Luise Kaschnitz (1901-1974)

Reihe 6: Franz Kafka (1883-1924), Wolfgang Büscher (*1951), Georg Büchner (1813-1837),
Elfriede Jelinek (*1946), Christa Wolf (1929-2011), Hermann Broch (1886-1951)

Reihe 7: Theodor Fontane (1819-1898), Max Frisch (1911-1991), Ernst Jandl (1925-2000),
Günter Grass (1927-2015), Robert Musil (1880-1942), Daniel Kehlmann (*1975)

Reihe 8: Feridun Zaimoglu (*1964), Dorothee Elmiger (*1985), Durs Grünbein (*1962), Friedrich
Schiller (1759-1805), Alfred Döblin (1878-1957), Herta Müller (*1953)

(Zusammenstellung: Clara Kopfermann)
                             
                                                         1
             
             
             
       Neue Horizonte der
   Literatur- und Kulturwissenschaft:
  Deutsche und Indische Perspektiven
              
     Erste Tagung des DAAD GIP-Netzwerks
              
          Deutsches Seminar
     Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
              
        Centre of German Studies
    Jawaharlal Nehru University, New Delhi
              
    Dept. of Germanic and Romance Studies
          University of Delhi
              
         Department of German
         University of Mumbai
              
       vom 17.-19. September 2018
   an der Jawaharlal Nehru University, New Delhi
              
       Venue: Convention Centre, JNU








                           2

Vorwort

Wenn das Tempo und die Leichtigkeit, mit der ein Vorhaben sich entwickelt, ein Indiz für seine
Stimmigkeit, ja für seine Notwendigkeit ist, dann scheint die germanistische Institutspartner-
schaft zwischen dem Deutschen Seminar der Universität Freiburg und einigen der bedeutend-
sten germanistischen Institute in Indien – an der University of Delhi und der Jawaharlal Nehru
University in Delhi sowie der University of Mumbai - ein förmlich unausweichliches Ereignis zu
sein. Denn es ging alles blitzschnell und fast wie von selbst: Im Mai 2016, in einer unerhört
heißen Woche in Delhi und tropisch-schwülen Tagen in Mumbai, habe ich aus alter Zuneigung
zu Indien und großem Respekt vor der indischen Germanistik zuerst die Fühler ausgestreckt und
außerordentlich ermutigende Gespräche mit den Kolleginnen und Kollegen in Delhi und
Mumbai geführt. Wir waren uns über die Wünschbarkeit einer solchen Partnerschaft und über
ihre programmatischen Zielsetzungen rasch einig: Sie sollte nicht rein bilateral operieren,
sondern als Netzwerk im Dreieck Delhi-Mumbai-Freiburg angelegt sein; sie sollte dem inten-
siven und umfassenden fachlichen Austausch unserer Kollegien ebenso dienen wie der
Fortbildung unserer Studierenden, Doktoranden und jungen NachwuchswissenschaftlerInnen;
regelmäßige Besuche und Gastaufenthalte sollten in beiden Richtungen erfolgen, und wir woll-
ten versuchen, auch kleinere, aber aufstrebende und ambitionierte Germanistik-Abteilungen an
weiteren indischen Universitäten an unseren Aktivitäten teilhaben und sie davon profitieren zu
lassen. – Im Februar 2017, bei einem weiteren Sondierungstreffen gemeinsam mit unserem
Freiburger Administrator Harald Baßler, haben wir diese Absichten präzisiert und, nach sehr
aufgeschlossenen Signalen auch von Seiten des DAAD in New Delhi, beschlossen, „Nägel mit
Köpfen“ zu machen: Wenig später war unser Antrag im Rahmen des GIP-Programms beim
DAAD eingereicht … - und er hatte Erfolg! So konnte bereits im Sommersemester 2017 eine
Vorhut von drei Kolleginnen von DU und JNU einen Forschungsaufenthalt in Freiburg ver-
bringen, und Freiburg konnte seinerseits einen ersten Teaching Assistant für ein DaF-Un-
terrichtspraktium an die JNU entsenden. Im laufenden akademischen Jahr 2018 aber nahm das
Unternehmen richtig Fahrt auf, explodierte förmlich vor Dynamik und Energie: Kolleginnen und
Kollegen aller drei indischen Partneruniversitäten kamen für weitere produktive Forschungs-
aufenthalte und kollegiale Gespräche nach Freiburg, und allein im Sommersemester 2018 ver-
brachten – auch weil es uns gelungen war, zusätzlich zu den Mitteln des DAAD noch weitere
sog. „Baden-Württemberg-Stipendien“ einzuwerben – sage und schreibe 15 Studierende und
DoktorandInnen aus Delhi und Mumbai gleichzeitig ein Gastsemester in Freiburg, voll integriert
in das laufende Unterrichtsprogramm und wegen ihrer ausgezeichneten Deutschkenntnisse,
ihres enormen Fleißes und ihres enthusiastischen Engagements von unseren Dozenten wie von
den deutschen Kommilitonen über die Maßen geschätzt. Erneut absolviert derzeit ein Frei-
burger Doktorand ein DaF-Unterrichtspraktikum in Delhi, diesmal an der DU, und wir Freiburger
Dozenten freuen uns schon auf Workshops zu Goethe und Kafka mit den Studierenden in
Mumbai und Delhi. Keine Frage, unser Unternehmen ist auf einem guten Weg.
     Mit der Tagung „Neue Horizonte der Literatur- und Kulturwissenschaft: Deutsche und
indische Perspektiven“ wollen wir nun den nächsten Schritt tun, auch er von Anfang an ein in-
tegraler Bestandteil unserer Pläne. Mit voller Absicht sollte das Thema dieser ersten Konferenz
unseres Netzwerks weit und offen gefasst sein: Die Tagung dient dem wechselseitigen Kennen-
lernen, wir wollen einander vorstellen, woran wir gegenwärtig arbeiten und welche Impulse
                                                     3
und Fragestellungen wir, aus indischer, aus deutscher wie aus komparatistischer und interkul-
tureller Perspektive, für die Zukunft unserer Disziplin für besonders produktiv und wichtig hal-
ten. Mit diesem offenen, gleichsam heuristischen Format – „Wer vieles bringt, wird manchem
etwas bringen;/ Und jeder geht zufrieden aus dem Haus“, weiß der Theaterdirektor in „Faust I“
im „Vorspiel auf dem Theater“ – wollen wir gemeinsame Forschungsinteressen identifizieren
und in einen vielstimmigen Dialog miteinander kommen, der es uns ermöglichen wird, unsere
GIP in den kommenden Jahren noch passgenauer auf unsere Institute und deren Forschungs-
profile auszurichten und möglichst viele Ideen und kreative Impulse für unsere künftige Zusam-
menarbeit zu erzeugen. Es ist eine besondere Freude und gewiss ein gutes Omen, dass die Ein-
ladung zur Tagung eine so überwältigende Resonanz gehabt hat und dass sie nicht nur sehr
stattliche Delegationen und eine große Zahl von Vortragenden aus allen vier Partnerinstituten
zusammenführt, sondern darüber hinaus auch Kolleginnen und Kollegen von weiteren „emerg-
ing institutes“ der indischen Germanistik angelockt hat, so wie es unser ursprüngliches Konzept
vorsah – diesen Gästen und „Verbündeten“ des Netzwerks gilt ein ganz besonders herzlicher
Willkommensgruß!
     Ich wünsche uns allen drei produktive Tage mit lehrreichen Kurzvorträgen und stimu-
lierenden, freundschaftlichen Diskussionen! Und ich danke von Herzen allen, die sich an den
Partnerinstituten im Vorfeld für das Gelingen der Tagung engagiert und die Mühen der Organi-
sation auf sich genommen haben. Ein freundlicher Dank gilt natürlich dem DAAD und der
Direktorin seines Büros in New Delhi, Frau Heike Mock, die die Tagung mit ihrer Anwesenheit
beehrt und uns von allem Anfang an in unseren Planungen unterstützt hat. Und ein besonders
großes Dankeschön gebührt unseren liebenswürdigen und großzügigen Gastgebern von der
JNU, die keine Mühe gescheut haben, um das Vorhaben in die Tat umzusetzen und ihm ein
attraktives Forum zu bieten. Wir wissen diese Gastfreundschaft sehr zu schätzen und bedanken
uns von Herzen!

Freiburg/Delhi, im September 2018                     Werner Frick













                            
                                                        4
                    PROGRAMM


              MONTAG, 17. SEPTEMBER 2018

Begrüβung
10.00 Babu Thaliath, Rajendra Dengle, Werner Frick
10.15 Grußwort: Frau Heike Mock, Direktorin DAAD New Delhi

Moderation: Babu Thaliath
10.30 – 11.00 Werner Frick (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg)
        „Weiß ich nur, wer ich bin“:
        Vorüberlegungen zu einer Geschichte des lyrischen Selbstporträts


               11.00 – 11.30: Tee- und Kaffeepause

Moderation: Gesa von Essen
11.30 – 12.00 Rosy Singh (JNU): Kafka in Indien

12.00 – 12.30 Noorie Narag (DU): Ist Peter Handkes Die Stunde der wahren Empfin-
        dung eine postmoderne hybride ‚Bildungs-Detektivgeschichte‘?

12.30 – 13.00 Sadhana Naithani (JNU): Erzählerische Landschaften

   
           13.00 – 14.00 LUNCH (Cafeteria, Convention Centre)

Moderation: Jyoti Sabharwal
14.00 – 14.30 Robert Krause (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg): 100 Jahre Weimarer
        Republik. Eine Projektvorstellung aus aktuellem Anlass

14.30 – 15.30 Vibha Surana und Juhi Thakkar (University of Mumbai): Zur Tragweite des
        Ganescha-Komplexes in der Weltliteratur


               15.30 – 15.45: Tee- und Kaffeepause

Moderation: Meher Bhoot
15.45 – 16.15 Salman Abbas (AMU): Das Politische in der gegenwärtigen Horrorliteratur: Ein
        Versuch mit dem Genre

16.15 – 16.45 Sachita Kaushal (DU): Erfassung der Bewegung in 'Near-Future-Fiction':
        Überlegungen zu einem Sub-Genre der Science Fiction

                                               5
16.45 – 17.15 Sarita Kumari (DU): Das Paradigma der Intersektionalität in den Gender Studies
        am Beispiel von Feridun Zaimoglus und Günter Senkels „Schwarze Jungfrauen“
        und Meena Kandasamys „The Gypsy Goddess“


                      
                      
               DIENSTAG, 18. SEPTEMBER 2018

Moderation: Werner Frick
10.00 – 10.30 Dieter Martin (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg): Autorenbibliotheken digital
        – Möglichkeiten und Grenzen der virtuellen Rekonstruktion am Beispiel Wieland
        und Gryphius

10.30 – 11.00 Babu Thaliath (JNU): Sinnliche Erkenntnis. Die Zweideutigkeit der epistemischen
        Referenz – als attentio und abstractio – in Alexander G. Baumgartens Lehre von
        der cognitio sensitiva

       
               11.00 – 11.30 Tee- und Kaffeepause

Moderation: Rajendra Dengle
11.30 – 12.00 Göz Kaufmann (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg): „Sorvete un Tema is nich
        Dütsch": Portugiesische Lehnwörter in drei deutschen Varietäten Südbrasiliens

12.00 - 12.30 Milind Brahme (IIT Madras): Kitsch als kulturkritischer Schlüsselbegriff – bei
        Adorno/Horkheimer und bei Hermann Broch

12.30 – 13.00 Chandrika Kumar (Doon University): Dialogische Anthropologie der Lüge: Eine
        Untersuchung am Beispiel von Briefen
       

           13.00 – 14.00 LUNCH (Cafeteria, Convention Centre)

Moderation: Dieter Martin
14.00 – 14.30 Mercy V. Guite (JNU): Ästhetische Beschreibung der Natur in Alexander von
        Humboldts Ansichten der Natur

14.30 – 15.00 Anjali Pande (EFLU): Subjektivität in der Sachliteratur über Natur ─ eine
        ökokritische Perspektive

15.00 – 15.30 Shrikant Pathak (University of Mumbai): Fiktionale Geschichtsschreibung in
        ausgewählten zeitgenössischen Romanen

       
                                                6
               15.30 – 15.45 Tee- und Kaffeepause

Moderation: M.K. Natarajan
15.45 – 16.15 Anna Kuhnt (JNU): Dhoch3 – Impulse für die Deutschlehrerausbildung an
        Hochschulen weltweit

16.15 – 16.45 Mihir Kulkarni (University of Mumbai): Einsatz spielerischer
        Vermittlungsmethoden im DaF-Unterricht

16.45 – 17.15 Sammati Balgi (University of Mumbai): Der Einsatz von handlungsorientierten
        Lernstrategien im DaF-Unterricht
       


                    
              MITTWOCH, 19. SEPTEMBER 2018

Moderation: Rekha Rajan
10.00 – 10.30 Gesa von Essen (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg):
        „Hinaus ins Freie, in die Abenteuer des Erzählens“:
        Wolfgang Büschers Fußreise von Berlin nach Moskau

10.30 – 11.00 Christopher Meid (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg):
        Reisebericht und nationale Identität.
        Literarische Deutschlandreisen nach 1989


               11.00 – 11.30: Tee- und Kaffeepause


Moderation: Vibha Surana
11.30 – 12.00 Jyoti Sabharwal (DU): Flüchtende Existenzen: Reflexionen zum Thema
        Grenzüberschreitung in Dorothee Elmigers Roman Schlafgänger

12.00 – 12.30 Meher Bhoot (University of Mumbai): Raum und Bewegung in der Literatur:
        Zur Frage der Identität an einem Nicht-Ort

12.30 – 13.00 Dipti Tambe (University of Mumbai): Zwischen dem bürgerlichen Trauerspiel
        und Grips: Das Drama in Lehre und Forschung      

   
               LUNCH (Cafeteria, Convention Centre)



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Moderation: Sadhana Naithani
14.00 – 14.30 Anuska Gokhale (CUG): Der imperiale Kosmopolitismus und die Anfänge der
        Germanistik im Westen Indiens

14.30 – 15.00 Namita Khere (DU): Stolpersteine bei der Übersetzung von deutscher Literatur
        ins Hindi
.
15.00 – 15.30 Suman Singh (AMU): Der gefangene Körper in Georg Kleins dystopischem Roman
        Miakro
       
                        
                15.30 – 15.45: Tee- und Kaffeepause

Moderation: Babu Thaliath
15.45 – 16.15 Om Prakash (BHU): Die Krise der Fiktion in postfaktischen Zeiten: Wie
        lese ich Christa Wolf heute?

16.15 – 16.45 Manusmriti Joshi (DU): Einsatz der vorhandenen Sprache beim Deutscherwerb –
        neue didaktische Perspektiven im DaF-Unterricht in Indien

17.00 – 18.00 Abschlussdiskussion
        Moderation: Werner Frick























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                        Abstracts


„Weiß ich nur, wer ich bin“:
Vorüberlegungen zu einer Geschichte des lyrischen Selbstporträts
Werner Frick
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Selbstporträts gelten gemeinhin als Domäne der Bildenden Künste, von Malerei, Zeichnung,
Photographie, während die Literatur zum Repertoire kultureller Selbstdarstellungs-Techniken
vor allem die raumgreifenden narrativen Genres der Autobiographie und der Memoirenlitera-
tur mitsamt ihren (semi-)fiktionalen Mischformen beigesteuert habe. In einer größeren Mo-
nographie, deren umfangreiches Quellenkorpus ich in einer Art Liebhaberei über Jahre gesam-
melt habe und die ich in den nächsten Jahren in essayistischer Form niederschreiben möchte,
will ich demgegenüber eine ausgebreitete ‚Galerie’ lyrischer Ich-Entwürfe, Lebensbilanzen,
Selbst-Inszenierungen und Selbstporträts von Paul Fleming und Andreas Gryphius über Lessing
und Goethe, Mörike, die Droste, Heinrich Heine und Theodor Fontane, Rilke, Brecht, Benn und
die Expressionisten bis zu Peter Handke, Volker Braun, Ernst Jandl, Peter Rühmkorf, Durs Grün-
bein oder Jan Wagner analytisch erschließen und poetologisch zu klassifizieren suchen. Dabei
sollen sich exemplarische Fallstudien zu prominenten Repräsentanten des Genres ‚lyrisches
Selbstporträt’ mit gattungstypologischen Reflexionen und kulturhistorischen Kontextualisierun-
gen zu einer kleinen Geschichte der poetischen Ego-Repräsentation in der deutschen (und
europäischen) Literatur der Neuzeit zusammenschließen.


Kafka in Indien
Rosy Singh
Jawaharlal Nehru University

Das Indien-Bild in der deutschsprachigen Literatur ist in der indischen Germanistik ein angesag-
tes Thema. Es ist an der Zeit, den Spieß einmal umzudrehen und die Einflüsse deutschsprachi-
ger Autoren auf indische Künstler zu untersuchen. In diesem Beitrag möchte ich mich auf die
Suche nach den Spuren begeben, die Franz Kafka in der zeitgenössischen Kunstszene in Indien
hinterlassen hat. Zunächst einmal stellt sich die Frage: Ist Kafka in Indien überhaupt präsent?
Wenn ja – in welcher Weise und wie wird er hierzulande wahrgenommen? Diesen Fragen
möchte ich in meinem Vortrag nachgehen.
     Einige zeitgenössische indische Künstler, die auf unterschiedliche Weise mit Kafka ver-
bunden sind, möchte ich hier erwähnen: der Filmemacher Anurag Kashyap, der Maler Dilip
Ranade, der Architekt und Maler Rohit Raj Mehndiratta, der Graphic-Novelist Sarnath Banerjee
und der Autor und Journalist Zafar Anjum.






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Ist Peter Handkes Die Stunde der wahren Empfindung eine postmoderne hybride ‚Bildungs-
Detektivgeschichte‘?
Noorie Narag
University of Delhi

Den Literaturkritikern und der Leserschaft von Peter Handke ist die Tatsache keineswegs ent-
gangen, dass seinem Werk mit einem einzigen literaturtheoretischen, philosophischen oder
medientheoretischen Ansatz nicht beizukommen ist. Viele finden gerade das an seinem Schrei-
ben anregend. Unerkannt geblieben ist auf dem Gebiet der Forschung auch nicht sein Interesse
an und die Beschäftigung mit populären Genres. Populäre sowie hohe Kunst, Literaturtheorie,
Philosophie und kanonisierte Werke sind alle für ihn im gleichen Maße wert, beachtet und un-
tersucht zu werden. Durchaus spannend in dieser Hinsicht ist aber die Art seines Engagements
sowohl mit den etablierten Gattungen der populären Literatur als auch mit den etablierten
Schemata der hohen Literatur. Natürlich ist dies schon der Gegenstand von unzähligen wissen-
schaftlichen Studien gewesen, aber wie der Autor selbst, der nie damit aufhört, seine Leser je-
desmal mit etwas Neuem zu überraschen, bieten auch seine Texte immer Anlass, über sich et-
was Neues sagen zu lassen.
     So versucht dieser Vortrag unter anderem auf der Grundlage von Klaudia Seibels Essay
Mixing Genres: Levels of Contamination and the Formation of Generic Hybrids zu veranschauli-
chen, wie Handkes Erzählung Die Stunde der wahren Empfindung, die bislang überwiegend als
ein Experiment mit der populären Gattung des Krimis interpretiert worden ist, nicht nur die von
Seibel genannten Bedingungen für den Fall einer starken Kontaminierung/Hybridisierung ein-
hält, sondern sich auch als eine postmoderne hybride ,Bildungs – Detektivgeschichte‘ im Sinne
von Seibel bestimmen lässt.


Erzählerische Landschaften
Sadhana Naithani
Jawaharlal Nehru University

Meine laufende Forschung “Erzählerische Landschaften” ist eine kulturanthropologische Unter-
suchung der Beziehung zwischen Zeit, Raum und Erzählung und hat mehrere Dimensionen. Eine
Dimension ist die Transformation, bzw. ‘das Nachleben’ der Grimmschen Märchen. Im Prozess
dieser Forschung habe ich bis jetzt drei Filme gemacht. Einen davon stelle ich vor, und er heisst:
Das Nachleben des Rattenfängers (HDV/15 Min./2016/S Naithani).


100 Jahre Weimarer Republik. Eine Projektvorstellung aus aktuellem Anlass
Robert Krause
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Zwischen November 2018 und Februar 2019 wird es hundert Jahre her sein, dass die erste
deutsche Republik revolutionär ausgerufen und durch die Eröffnung der Nationalversammlung
als parlamentarische Demokratie etabliert wurde. Die vielfach als ‚Zwischenkriegszeit‘ abgewer-
tete Epoche scheint ein abschreckendes Beispiel zu sein, das die fatalen Auswirkungen von

                                                 10
sozialer Deklassierung und Massenarbeitslosigkeit, parteipolitischen Streitigkeiten und natio-
nalistischen Tendenzen zeige. Doch lässt sich diese historisch für die Entwicklung Deutschland
so wichtige Ära wirklich adäquat von ihrem Ende, der Machtübertragung auf die Nationalsozia-
listen im Jahr 1933, her verstehen, wie es die ältere Forschung nahegelegte? Meine derzeitigen
Projekte, darunter eine Ringvorlesung und ein Handbuch zu Kultur und Literatur der Weimarer
Republik, setzen andere Prämissen und fassen diese Epoche stärker vom Kriegsausgang
1918/19 her. Die Weimarer Republik soll nicht nur als Intermezzo zwischen den Kriegen und als
„Inkubationszeit des Nationalsozialismus“ (Karl Dietrich Bracher, 1978) begriffen werden, son-
dern als eine Zeit zahlreicher politischer und kultureller Impulse und Möglichkeiten, die zum
Teil produktiv genutzt wurden und um die Mitte der 1920er Jahre zu einem stabilisierten, pros-
perierenden und pluralistischen Gemeinwesen führten. Es gilt zu zeigen, warum die Epoche von
Weimar für die deutsche Kulturgeschichte so wichtig ist und vielfach die Basis unseres heutigen
Kunstverständnisses abgibt.


Zur Tragweite des Ganescha-Komplexes in der Weltliteratur
Vibha Surana & Juhi Thakkar
University of Mumbai

Immer wenn es im letzten Jahrhundert um die Auslegung des Vater-Sohn-Konflikts in der Welt-
literatur geht, liefert der Freudsche Ödipuskomplex den Weltmaßstab und das dominante Pa-
radigma für psychische Deutungen. In diesem Beitrag wird der vom indischen Kulturpsycholo-
gen Sudhir Kakar postulierte Ganeschakomplex dargestellt und sein symbolisches Kapital für die
psychische wie zugleich soziokulturelle Auslegung des Vater-Sohn-Konflikts in der Weltliteratur
erläutert.
    Wie Sigmund Freud den Ödipuskomplex aus der griechischen Mythologie herleitet,
schöpft Sudhir Kakar den Ganeschakomplex aus der indischen Mythologie. In Sophokles‘ grie-
chischem Drama, auf das Freud sich beruft, tötet der Sohn Ödipus den Vater Laios, in der indi-
schen Legende im Mahabhagvata Purana tötet aber der Vater Gott Schiwa den Sohn Ganescha
und bringt ihn wieder verunstaltet als Tier-Mensch zum Leben. Nicht nur Kafkas Erzählung „Die
Verwandlung“, sondern auch viele andere literarische Texte, in denen der Sohn wegen der do-
minierenden Vatergestalt zugrundegeht und sich (nicht) wiederfindet, ließen sich damit zu-
gleich psychisch und soziokulturell interpretieren. Der Ganeschakomplex liefert eine symbolisch
reiche Fundgrube für die Deutung der Weltliteratur.


Das Politische in der gegenwärtigen Horrorliteratur: Ein Versuch mit dem Genre
Salman Abbas
Aligarh Muslim University

Man übertreibt nicht, wenn man behauptet, dass Post-apokalyptische Literatur eine der am
meisten vorkommenden Gattungen des 21. Jahrhunderts ist. Bei solchen ‘dystopischen’ Wer-
ken haben Zombies – die Untoten – immer eine wichtige Rolle gespielt. Die reanimierten Lei-
chen existierten in der Popkultur seit einer langen Zeit, aber der Aufstieg ihrer Popularität in
der Unterhaltungsliteratur der Gegenwart ist bemerkenswert.

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Oft erleben Leser in diesen Werken eine Behandlung von politischen Themen wie Biopolitik,
Lebensrecht und eine Rückkehr der vormodernen Zeiten. In dieser Hinsicht befasst sich der Vor-
trag mit zwei Unterhaltungsromanen dieser Gattung, nämlich Mainak Dhars “Chronicler of the
Undead” und Stefan Kalbers “Fleisch”. Angesichts der kulturtheoretischen Ansätze der Biopoli-
tik von Theoretikern wie Giorgio Agamben und Michel Foucault wird hier versucht, das Genre
der Horrorliteratur politisch zu verstehen. Dabei wird analysiert, wie die Texte sich mit den
folgenden Fragen beschäftigen: Was heißt, lebendig zu sein, und wie reguliert der Staat das
Leben der Bürger eines modernen Staates?


Das Paradigma der Intersektionalität in den Gender Studies am Beispiel von Feridun
Zaimoglus und Günter Senkels „Schwarze Jungfrauen“ und Meena Kandasamys „The Gypsy
Goddess“
Sarita Anand
University of Delhi

Im Diskurs des 21. Jahrhunderts, insbesondere im Diskurs nach 9/11, liegt der Fokus besonders
auf Fragen der gesellschaftlichen Struktur in den drei Domänen race, class und gender und dar-
aus abgeleiteten Subdomänen. „Unter Intersektionalität wird dabei verstanden, dass soziale
Kategorien wie Gender, Ethnizität, Nation oder Klasse nicht isoliert voneinander konzeptuali-
siert werden können, sondern in ihren ‚Verwobenheiten’ oder ‚Überkreuzungen’ (intersections)
analysiert werden müssen. Additive Perspektiven sollen überwunden werden, indem der Fokus
auf das gleichzeitige Zusammenwirken von sozialen Ungleichheiten gelegt wird. Es geht dem-
nach nicht allein um die Berücksichtigung mehrerer sozialer Kategorien, sondern ebenfalls um
die Analyse ihrer Wechselwirkungen“ (Walgenbach 2012: 81).
     Das Ergebnis einer solchen Analyse wäre eine Dechiffrierung der komplexen Verhält-
nisse von Macht und Unterdrückung und ihrer Interdependenzen in den untersuchten Texten
(zunächst jeweils intratextuell und intertextuell zwischen den verglichenen Texten) und aus
diesem Vergleich abgeleitet in der Lebenswelt (gesellschaftspolitische Relevanz der Prosa). An-
hand der unterschiedlichen Provenienz beider Primärtexte lässt sich in dieser Dimension auch
die Unterschiedlichkeit von Gesellschaften reflektieren (Deutschland und Indien).


Erfassung der Bewegung in ‘Near-Future-Fiction’: Überlegungen zu einem Sub-Genre der
Science Fiction
Sachita Kaushal
University of Delhi

Zu den markanten Merkmalen unserer Zeit gehören rapide Wandlungen und Instabilität in allen
Bereichen. Eine Form, die diese Entwicklungen thematisiert und die immer beliebter zu werden
scheint, ist Science-Fiction (SF). Narratologisch gesehen beruht SF auf einem Novum – einer
Neuheit im Sinne einer neuen technologischen oder soziopolitischen Entwicklung, die die ganze
Welt betrifft und grundsätzlich verändert. Solche Gedankenexperimente führen zu einer Art
Verfremdung, die wiederum eine Totalität schafft. Das erzeugt einen Sinn der Meta-Erzählung

                                                   12
für die gegenwärtigen Geschehnisse, was sonst immer schwieriger gelingt. Unter solchen For-
men der ‚cognitive estrangements‘ (Darko Suvin) spielt die Untergattung der ‚Near-Future-Fic-
tion‘ (NFF) eine besondere Rolle. Mit ‘Near-Future-Fiction’ sind dabei meistens solche Geschich-
ten gemeint, die nicht nur auf der Zeit-Skala der jetzigen Welt zu verorten sind, sondern auch
auf dieser Erde, und in denen die Hauptakteure noch als Menschen zu erkennen sind. Per defi-
nitionem liegt der Fokus solcher Narrative also auf von Menschen verursachten Änderungen,
durch die die ganze Weltordnung entweder sich verändert oder schon verändert worden ist.
Auf diese Weise nimmt diese Erzählform die Totalität der ganzen Welt samt der zeitlichen Di-
mension direkt in den Blick.
     Dieser Vortrag legt den Fokus auf die Untersuchung einer der NFF-Formen in zwei
Romanen – Benjamin Steins Replay und Anil Menons The Beast with Nine Billion Feet. Die bei-
den Romane ähneln einander nicht nur darin, dass die transhumanen Entwicklungen in beiden
den thematischen Schwerpunkt bilden, sondern auch in der Weise, in der die sich ändernde Zeit
und Welt in der Erzählung erfasst wird. Durch den Vergleich wird auch untersucht, wie diese
Form der NFF in den aus unterschiedlichen soziopolitischen Kontexten entstehenden Geschich-
ten jeweils anders adaptiert wird.


Autorenbibliotheken digital – Möglichkeiten und Grenzen der virtuellen Rekonstruktion
am Beispiel Wieland und Gryphius
Dieter Martin
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Die Bildungswelt und das geistige Profil von Gelehrten und Schriftstellern spiegeln sich – we-
nigstens in Epochen, die den universellen Zugriff auf digitale Wissensträger noch nicht kannten
– auf besondere Weise in deren Bibliotheken wider. Aus dieser Erkenntnis heraus hat man
schon seit langem die Buchbestände bedeutender Personen der Kulturgeschichte bewahrt, bib-
liographisch dokumentiert und erforscht. Die Erkundung historischer Bibliotheken erlebt im
Zuge der ›Digital Humanities‹ derzeit eine von medialen Innovationen beförderte Blüte. Welche
neuen Erschließungsmöglichkeiten die Nutzung digitaler Hilfsmittel eröffnet, soll an zwei Auto-
renbibliotheken gezeigt werden: Erstens der Bibliothek Christoph Martin Wielands, die am
Deutschen Seminar der Universität Freiburg in einem weitgehend abgeschlossenen, von der
Thyssen-Stiftung geförderten Projekt virtuell rekonstruiert worden ist (https://wvb.ub.uni-frei-
burg.de); und zweitens an der Bibliothek der Barockdichter Andreas und Christian Gryphius,
deren Erschließung und Projektbeantragung gerade vorbereitet wird. Zunächst werden die
Quellen vorgestellt, dann wird die für die Erschließung genutzte digitale Infrastruktur präsen-
tiert, und schließlich werden einige Forschungsperspektiven entwickelt, umso die Möglichkei-
ten für die Arbeit mit virtuell rekonstruierten Autorenbibliotheken anzudeuten.








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Sinnliche Erkenntnis
Die Zweideutigkeit der epistemischen Referenz – als attentio und abstractio – in Alexander G.
Baumgartens Lehre von der cognitio sensitiva
Babu Thaliath
Jawaharlal Nehru University

Alexander Gottlieb Baumgarten entwickelt seine Lehre von der cognitio sensitiva in Auseinan-
dersetzung mit der tradierten cartesisch-neuzeitlichen Epistemologie des Rationalismus. Die
Sinnlichkeit, die konventionell dem „unteren Erkenntnisvermögen“ zugerechnet wird, scheint
dabei gegenüber dem verstandesmäßigen bzw. logisch-begrifflichen Erkennen bevorzugt zu
werden. Jedoch bezweckt Baumgarten mit seinen Grundvorstellungen von der sinnlichen Er-
kenntnis, der ästhetischen Wahrheit, dem ästhetischen Rationalismus u. a. keine Umkehrung
der vorherrschenden hierarchischen Struktur der Epistemologie; stattdessen plädiert er für eine
notwendige Gleichstellung und Korrelativierung zwischen der sinnlichen und der logisch-
abstrakten Erkenntnis, zwischen ästhetischer und logischer Wahrheit. Nach Baumgarten soll die
Ästhetik eigenständig neben der Logik stehen. Die Gleichstellung der Ästhetik mit der Logik ver-
anlasst ihn demnach zu der Annahme einer besonderen Art verbindlicher Erkenntnis, darge-
stellt vor allem in seiner Grundvorstellung von ästhetikologischer Wahrheit (veritas aesthetico-
logica) oder ästhetischer Episteme (episteme aisthetike).
    Offensichtlich basiert die ästhetische Erkenntnislehre Baumgartens auf dieser Verbin-
dung von Ästhetik und Logik im Rahmen einer cognitio sensitiva, die hier – wie nie zuvor in der
Philosophiegeschichte – hervorgehoben wird. Allerdings erweist sich eine derartige Gleichstel-
lung und Synthese zwischen Sinnlichkeit und Verstand kaum als problemlos. Denn zugunsten
seiner Lehre der sinnlichen Erkenntnis stellt sich Baumgarten den epistemischen Zugang (zu
den Erfahrungsobjekten) als ein Zusammenspiel von attentio (Aufmerksamkeit) und abstractio,
also der logisch-begrifflichen Abstraktion, vor.
     In meinem Vortrag versuche ich aufzuzeigen, wie in dieser Vorstellung Baumgartens, die
die konträren Vorgänge des subjektiv-epistemischen Zugangs zum Objekt miteinander gleich-
stellt und in sich einschließt, unvermeidlich eine Zweideutigkeit der epistemischen Referenz
zutage tritt. Da das Apodiktische an Erkenntnissen notwendig einen hinreichenden epistemi-
schen Zugang (zu den erkannten Objekten) bedingt, sollte im Prinzip jede Zweideutigkeit der
epistemischen Referenz die Gewissheit der Erkenntnisse gefährden. In Wahrheit jedoch berei-
chert diese Zweideutigkeit das Erkenntnisvermögen, indem die sinnliche Erkenntnis tendenziell
die Finalität begrifflich-abstrakter Erkenntnisse durchbricht und dabei deren Unendlichkeit
erfahrbar macht.


„Sorvete un Tema is nich Dütsch“:
Portugiesische Lehnwörter in drei deutschen Varietäten Südbrasiliens
Göz Kaufmann
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Die größte Konzentration Deutschsprachiger außerhalb Europas findet man in Brasilien. Insbe-
sondere im südlichsten Bundesstaat, in Rio Grande do Sul, werden noch viele deutsche Dialekte
gesprochen, wobei unser Fokus auf dem Hunsrückischen, dem Pommerschen und dem Menno-

                                                  14
nitenplautdietschen liegt. Die pergierende Einwanderungsgeschichte dieser drei Sprachge-
meinschaften und die unterschiedliche Intensität ihres Kontakts zur brasilianischen Mehrheits-
gesellschaft verursach(t)en deutliche Unterschiede in der lexikalischen Beeinflussung durch das
Portugiesische. Relevant ist dabei sowohl die absolute Entlehnungshäufigkeit als auch die pho-
nologische und morphologische Form der Entlehnungen. Die in diesen Bereichen feststellbaren
Unterschiede ermöglichen uns einen faszinierenden Einblick in das mentale Lexikon der bilingu-
alen Sprecher/innen. Daneben zeigen diese Unterschiede auch, wie unterschiedlich das Prestige
des Portugiesischen für einzelne Teilgruppen ist. Deutschsprachige Frauen verhalten sich in Be-
zug auf portugiesische Entlehnungen zum Beispiel deutlich anders als deutschsprachige Män-
ner. Als Datengrundlage für unsere Analysen dienen freie Gespräche und die Übersetzung von
46 portugiesischen Stimulussätzen in die drei deutschen Varietäten. Diese Übersetzungen wur-
den bisher von129 Informant(inn)en durchgeführt.


Kitsch als kulturkritischer Schlüsselbegriff – bei Adorno/Horkheimer und bei Hermann Broch
Milind Brahme
IIT Madras

Die zeitgenössische Relevanz des Kitschbegriffs – im Politischen sowie im Künstlerischen bzw.
Medialen – ist kaum zu überschätzen. Der moderne/postmoderne Künstler kommt als „Künstler
nicht (um den Kitsch) herum“ (Scheit, 2010), sei es als Ornament, sei es als Kitsch im
Alltag/Haushalt oder in der Politik, wo er sogar global waltet.
     In was für einem Verhältnis zueinander stehen die unterschiedlichen Manifestationen
(oder vielleicht Dimensionen) von Kitsch? Und was für einen Erkenntniswert hat heute das
Wissen um den Kitsch? Sind Differenzierungen wie Kitsch im Haushalt (= nicht so gefährlich)
und Kitsch im Politischen (= “wirkliches Verbrechen“) sinnvoll und haltbar? Lohnt es sich
überhaupt, den Begriff zu diskutieren?
     Ein kontrastives Rereading der verschiedenen Positionen – hier am Beispiel der kultur-
bzw. literaturkritischen Essays/Schriften/Fragmente Hermann Brochs und der Kritischen
Theorie – könnte mögliche Antworten auf diese Fragen bieten.


Dialogische Anthropologie der Lüge: Eine Untersuchung am Beispiel von Briefen
Chandrika Kumar
Doon University

Am 7. Dezember 1938 schrieb Emil Abderhalden, Präsident der deutschen Akademie der
Naturforscher Leopoldina, einen Brief an die damalige staatliche Autorität, dessen Inhalt
Wieland Berg (2015) in seinem wissenschaftlichen Beitrag als ‚eine ehrenwerte Lüge‘ bezeich-
net. Es lässt sich hier also fragen, warum denn der Inhalt dieses Briefes ‚eine ehrenwerte Lüge‘
geheißen werden soll. Ferner könnte man noch fragen, welchem Zweck dieser Brief und seine
Lüge zu dienen hatten. Bei näherer Untersuchung gelangt man zur Erkenntnis, dass diese Lüge
aus purer Absicht verfasst wurde, die an die politische Wahrheit ihrer Zeit, also an die Propa-
ganda des Nationalsozialismus, die jüdischen Mitglieder der Leopoldina zu streichen, schon ge-
dacht hatte.

                                                  15
Abderhaldens Brief zeigt, dass manchmal die menschliche Fähigkeit zu lügen sich auch als eine
Strategie erweist, ein unerwünschtes Geschehnis zu verhindern. Lügen bedarf also einer Einbil-
dungskraft, die in gewissem Maße die Vorhersehbarkeit und zum Teil auch Vorwissen voraus-
setzt. Ob diese Einbildungskraft eine im verbalen und nicht-verbalen Kontext ständig präsente
anthropologische Konstante sei, soll im Rahmen des proponierten Vortrags anhand dieses
Briefes und einiger anderer ähnlicher Beispiele diskutiert werden.
    Der Brief kann nicht nur als ein historisches Dokument und eine literarische Kunstform,
sondern auch als Ausdruck humaner Intentionen betrachtet werden, der neben den Tatsachen
und wichtigen Mitteilungen auch nötige Lügen mitbeinhalten kann. Es kommt natürlich darauf
an, wie die Tatsachen und Mitteilungen dargestellt werden und ob sie überhaupt verstellt
werden. Denn der Brief ist seiner Natur nach ein schriftliches Gespräch und dadurch ein Dialog
mit seinem Rezipienten. Daher lohnt es sich, den Brief aus der Perspektive der dialogischen
bzw. philosophischen Anthropologie, die man bei Martin Buber kennenlernt, zu betrachten und
studieren.
    In diesem Sinne soll im Vortrag versucht werden, die dialogische bzw. philosophische
Anthropologie der Lüge am Beispiel von Abderhaldens Brief (und einiger weiterer Briefe) zu
untersuchen.


Ästhetische Beschreibung der Natur in Alexander von Humboldts Ansichten der Natur
Mercy Vungthianmuang Guite
Jawaharlal Nehru University

Dieser Vortrag versucht die literarische Technik zu analysieren, die Humboldt in seinem Sam-
melwerk Ansichten der Natur (erste Ausgabe 1808) verwendet hat und die stark von den klassi-
schen griechischen Schriften beeinflusst war. Den tiefsten Einfluss auf das Werk hatte der grie-
chische Geograph Strabo, dessen philosophischer Ansatz sich in Humboldts literarischem
Schreiben widerspiegelt.
    Des Weiteren setzt sich der Beitrag mit den ästhetischen Aspekten von Humboldts
Naturerfahrungen auseinander. Der Vortrag versucht nicht nur Humboldts Landschaftsbe-
schreibungen in Verbindung mit den wissenschaftlichen Beschreibungen hervorzuheben, son-
dern auch Humboldts ästhetische Natureindrücke zu analysieren. Charakteristisch für Ansichten
der Natur ist in erster Linie das szenische Porträt mit den morphologischen, empirisch-analyti-
schen, naturwissenschaftlichen und philosophischen Sichtweisen Humboldts. Die Naturbe-
obachtung wurde mit der natürlichen Physiognomik und der Kulturgeschichte des Menschen
verbunden.


Subjektivität in der Sachliteratur über die Umwelt – eine ökokritische Perspektive
Anjali Pande
The English and Foreign Languages University

Wenn eine Autorin ihr Werk den im Wald lebenden Tieren widmet, bezieht sie schon Stellung
gegen die Überlegenheit des Menschen als Spezies in einer Welt, die ständig vom Menschen
verändert und beschädigt wird. Diese Autorin ist mal Journalistin, mal Umweltaktivistin oder

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Biologin. Als objektive Chronistin des Anthropozän ist diese Autorin keine romantische, naive
Naturliebhaberin. Der Mensch ist in ihren Beschreibungen kein Held mehr, sondern eher der
Übeltäter, und die Autorin übernimmt die Rolle der Betroffenen selbst. Ihre Subjektivität dient
in solchen Sachtexten dazu, die Perspektive des Anderen zu vertreten, sei es die vom Ausster-
ben bedrohte Tierart Tiger (Panthera tigris) oder die auf den idyllischen Andamanen- und Niko-
baren-Inseln wohnende Urbevölkerung wie die Jarawa. Durch eine posthumanistische Lektüre
der Sachliteratur über die Umwelt wird dieser Beitrag darzustellen versuchen, wie sich der Anti-
Anthropozentrismus im Schreiben zweier indischer Autoren von faktischen Reportagen und
Beschreibungen widerspiegelt. Die Diskussion wird sich auf die Texte von Prerna Singh Bindra,
Umweltexpertin und u.a. Verfasserin des Buches „The Vanishing – India s Wildlife Crisis“ und
auf die Berichte von Pankaj Sekhsaria, Umweltjournalist aus Hyderabad, der sich mit den Um-
weltkrisen der Andamanen und Nicobaren beschäftigt, beziehen.


Fiktionale Geschichtsschreibung in ausgewählten zeitgenössischen Romanen
Shrikant Pathak
University of Mumbai

In der Arbeit wird zunächst die Darstellung der Geschichte in zeitgenössischen Romanen disku-
tiert. Christian Krachts Imperium (2012), Daniel Kehlmanns Die Vermessung der Welt (2005) und
Timur Vermes Er ist wieder da (2012) fungieren dabei als Primärquellen. Pastiche als Stilimita-
tion spielt eine wichtige Rolle in diesen Romanen. Hyperrealität und Simulacrum (Baudrillard)
ist ein Teil unserer Gesellschaft geworden. Diese Begriffe spiegeln die erzählte Welt wider. Die
metafiktionalen Stellen in den Romanen sind sehr bedeutend für die Analyse. Das Genre des
Historischen Romans wird zudem an der ausgewählten Literatur näher erläutert. Schließlich
werden alle diese Begriffe und ihre Rolle im postmodernen Kontext diskutiert.


Dhoch3 - Impulse für die Deutschlehrerausbildung an Hochschulen weltweit
Anna Kuhnt
Jawahalal Nehr University

Dieser Vortrag soll einen kurzen Überblick über das neue Förderprogramm ‚Dhoch3‘ des DAAD
geben. Das Projekt ist eine Lernplattform, die vom DAAD und acht deutschen Hochschulen
(Universität Leipzig, Gießen, Duisburg-Essen, Bielefeld, LMU, Jena, TU Berlin, TU Darmstadt)
sowie INCCAS (Intercultural Consultancy and Studies) entwickelt worden ist, um die Ausbildung
von angehenden Deutschlehrerinnen/Deutschlehrern und Hochschulmitarbeitende weltweit zu
unterstützen.
     Insgesamt gibt es derzeit acht Studienmodule, die vor allem für das Masterniveau kon-
zipiert sind. Im Vortrag werden die einzelnen Module näher beleuchtet, und es wird auf die
Struktur und Anwendung eingegangen. Abschließend soll ein aktueller Erfahrungsbericht über
die Arbeit mit ‚Dhoch3‘ an der JNU den Vortrag abschließen.




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Einsatz spielerischer Vermittlungsmethoden im DaF-Unterricht
Mihir Kulkarni
University of Mumbai

Das Aufkommen des handlungsorientierten kommunikativen Ansatzes für den Deutschunter-
richt hat verschiedene neue Vermittlungsmöglichkeiten mit sich gebracht. Neueste Forschun-
gen haben festgestellt, dass Spaß beim Lernen den Spracherwerb begünstigt. In diesem Vortrag
geht es um den Einsatz verschiedener Strategien am Department of German an der Universität
Mumbai, die darauf zielen, Sprache spielerisch zu vermitteln und dabei Spaß zu erzeugen. Dazu
gehören perse Lernspiele, Projekte und Aktivitäten innerhalb und außerhalb des Klassenzim-
mers. Die aus dieser Anwendung gewonnenen Erkenntnisse werden im Vortrag vorgestellt und
reflektiert.


Der Einsatz von handlungsorientierten Lernstrategien im DaF-Unterricht
Sammati Balgi
University of Mumbai

Mittels neurodidaktischer Lehr-Lern-Forschungen lässt sich herausfinden, dass die Fӧrderung
aktiver Teilnahme von Lernenden und dass insbesondere Bewegung im Sprachunterricht zu
Spaß und Freude am Lernen führen und einen effektiveren Lernprozess ermӧglichen. Der Vor-
trag berichtet von dem Versuch, Anregungen und kreative Ideen in Bezug auf das ,,Lernen mit
Handeln“ im DaF-Unterricht an der Deutschen Abteilung der Universität Mumbai in die Praxis
umzusetzen. Als besonders gewinnbringend erweisen sich dabei handlungsorientierte Lernakti-
vitäten, kreative Projekte sowie digitale Lernplattformen. Gefragt wird nach der Rolle solcher
gehirngerechten Lernstrategien und nach ihrem Beitrag zu Lernerfolgen im Sprachunterricht.


„Hinaus ins Freie, in die Abenteuer des Erzählens“:
Wolfgang Büschers Fußreise von Berlin nach Moskau
Gesa von Essen
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Als Wolfgang Büscher im Sommer 2001 in Berlin die Tür hinter sich schloss und einfach losging,
„so geradeaus wie möglich nach Osten“, nach Moskau nämlich, sei er, wie er rückblickend no-
tiert, der „poetischste[n]“ und „freieste[n]“ Idee von allen gefolgt. Auf seiner dreimonatigen,
2500 Kilometer langen Fußreise, über die Büscher in seinem preisgekrönten Buch Berlin –
Moskau berichtet, durchquert der Autor einen (Natur-, Geschichts-, Kultur-, Staats-) Raum, der
durch ganz unterschiedliche Koordinaten, Semantiken und Projektionen kartiert ist: Welche
historischen Bezüge werden durch das erzählende Ich freigelegt? Wie verhalten sich in seiner
Wahrnehmung Eigenes und Fremdes, Westen und Osten, Zentrum und Peripherie zueinander?
Welche Rolle spielen Grenzerfahrungen und Konstellationen des Transitorischen? Büschers Rei-
sebericht verknüpft (faktuale) Reportage und (fiktionale) Literatur und läßt sich dabei bis in den
Modus des Schreibens hinein vom spezifischen Rhythmus des Gehens leiten.


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Reisebericht und nationale Identität.
Literarische Deutschlandreisen nach 1989
Christopher Meid
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

In den Jahren seit der Wiedervereinigung erleben Reiseberichte über Deutschland eine Hoch-
konjunktur: In dieser Zeit sind mehr als 30 einschlägige Texte erschienen. Nicht wenige dieser
Reiseberichte von so unterschiedlichen deutschen Autoren wie Wolfgang Büscher, Roger
Willemsen oder Benjamin von Stuckrad-Barre erreichen eine hohe Auflagenzahl und sind im
medialen Diskurs präsent. Zahlreiche Texte tragen das durchaus verkaufsfördernde Label
‚deutsch‘ bzw. ‚Deutschland‘ explizit im Titel. Auch in der fiktionalen Literatur sind Reisen durch
Deutschland ein Thema, so etwa in Christian Krachts Roman Faserland. Im Genre der Reiselite-
ratur wird also die Frage verhandelt, was unter der Kategorie ‚deutsch‘ eigentlich zu verstehen
sei. Die Reisen finden im Modus der Suche, der Frage nach Kultur und Identität statt. Auf ganz
unterschiedliche Weise begegnen die Reisenden dabei der Herausforderung, das eigene Land
und die eigene Kultur zu erforschen: Wolfgang Büscher etwa kartographiert das wiederverei-
nigte Land, indem er es entlang seiner Außengrenze umrundet, Landolf Scherzer, Dieter Kreuz-
kamp und Fred Sellin folgen der innerdeutschen Grenze. Westdeutsche Autoren wie Ralph
Giordano oder Roger Willemsen beschreiben ausgiebig die neuen Bundesländer, um die weißen
Flecken auf ihrer mentalen Landkarte, den ihnen fremden Osten der Bundesrepublik zu entde-
cken. Der Vortrag nimmt diese reiseliterarischen Auseinandersetzungen mit Deutschland in den
Blick. Dabei steht zum einen die Frage im Zentrum, wie eine Gattung, die traditionell der Erkun-
dung der Fremde dient, nun zum Medium der Selbsterkundung umfunktioniert wird, zum ande-
ren geht es um das prekäre Verhältnis von Geschichts- und Identitätskonstruktion angesichts
deutscher Erinnerungsorte.


Flüchtende Existenzen: Reflexionen zum Thema Grenzüberschreitung in Schlafgänger (2014)
von Dorothee Elmiger
Jyoti Sabharwal
University of Delhi

Die gegenwärtigen Postulate der Grenztheorie finden einen poetischen Ausdruck in Schlafgän-
ger, dem 2014 erschienen Roman der Schweizer Autorin Dorothee Elmiger. Das Thema der
Grenzen zwischen Einheimischen und Einwanderern ist nicht nur ein hochaktuelles Schweizer
Thema, sondern findet eine Resonanz in der deutschsprachigen Literatur der Gegenwart. Der
Roman beschäftigt sich mit den Neuankömmlingen in den Großstädten Europas: Flüchtlingen
aus anderen Ländern.
     Flucht und Grenzüberschreitung sind keine neuen Topoi in der deutschsprachigen Lite-
ratur. Die Exilliteratur des vorigen Jahrhunderts thematisierte die Flucht und Grenzüberschrei-
tung vom Faschismus bedrohter Europäer über mehrere Nationalgrenzen hinweg. Jedoch ha-
ben die neuen Kriege und wirtschaftlichen Krisen die europäischen Städte zu Zufluchtsorten
von Millionen Menschen gemacht. Dieses veränderte Stadbild spiegelt sich in dem experimen-
tellen Narrativ wider. Durch Verzicht auf einen klassischen Handlungsaufbau erzeugt Elmiger

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eine Polyphonie von Perspektiven. Sie spannt professionelle Grenzüberschreiter zusammen,
darunter einen Logistiker und eine Übersetzerin, und lässt sie über Grenzen sprechen: über
Ortlosigkeit und Sprachlosigkeit, Herkunft und Gerechtigkeit, territoriale und metaphorische
Grenzen, Heimat und Migration. Es entsteht ein Diskurs, in dem es keine Lösungen gibt, ja nicht
einmal Lösungsvorschläge, auch keinen roten Faden zur Lösungssuche.
    Alle Theorien der Ästhetik basieren auf dem Prinzip der Widerspiegelung von
Lebensprozessen (Georg Lukács: Probleme des Realismus III); dementsprechend ist der Roman
Schlafgänger repräsentativ für die poetische Versprachlichung der Problematik von flüchtenden
Existenzen der Gegenwart.


Raum und Bewegung in der Literatur: Zur Frage der Identität an einem Nicht-Ort
Meher Bhoot
University of Mumbai

Die Präferenz der Postmoderne für Raum und Bewegung schlägt sich dank des Spatial Turn
auch in der Literatur nieder; damit geht eine Anerkennung von Begriffen wie ‚Transiträume‘,
‚Nicht-Orte‘ (de Certeau), ‚Heterotopien‘ (Foucault), ‚imagined geographies‘ (Edward Said),
‚Thirdspace‘ (Edward Soja, Homi K. Bhabha) u.a. einher. Da diese Räume sowohl als Orte der
Begegnungen mit dem Anderen als auch mit dem Selbst dienen, stellen sie die eigene Identität
in Frage und führen zu der Frage nach dem wahren Sinn der Existenz. Der Nicht-Ort, der nach
Marc Auge das „Gegenteil der Utopie“ ist, spiegelt den Aspekt der Postmoderne wider, in der
ein Inpiduum sich selbst und seine Identität in der Masse verlieren kann. Der Beitrag versucht,
die verschiedenen Raumbegriffe nebeneinanderzustellen, um im Kontext der Grenzsituationen
wie Migration und Flucht sich mit der Kategorie von inpidueller Identität auseinanderzuset-
zen. Ältere und neuere Texte aus der deutschen Literatur dienen dazu als Beispiele.


Zwischen dem bürgerlichen Trauerspiel und Grips: Das Drama in Lehre und Forschung
Dipti Tambe
University of Mumbai

Der Schwerpunkt dieses Vortrags liegt auf Erkenntnissen, die ich aus dem Umgang mit dramati-
schen Texten im Unterricht und dem Einsatz von dramenorientierten Übungen in persen Kur-
sen der Germanistik gewonnen habe. Dargestellt wird auch, wie sich aus der Beschäftigung mit
Dramen im Kurs unterschiedliche Ideen für die Forschung ergaben und wie sich daraus das
Thema des Grips-Theaters für die Doktorarbeit entwickelte, das sich wiederum im Kurs einset-
zen ließ. Somit wird über die Erfahrung reflektiert, wie Lehre und Forschung Hand in Hand ge-
hen können, worauf ich als Lehrerin und Nachwuchswissenschaftlerin besonders achten müsste
und welche anderen Aktivitäten am Department of German der Universität Mumbai unter-
nommen werden, um die Forschung zu fördern.





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Der imperiale Kosmopolitismus und die Anfänge der Germanistik im Westen Indiens
Anushka Gokhale
Central University of Gujarat

Obwohl die Tradition der Germanistik in Indien etwa hundert Jahre alt ist, unterscheidet sich
das Fach in der Kolonialzeit von der postkolonialen Germanistik darin, dass es nicht in erster
Linie an das Projekt der Verbreitung der deutschen Identität und Kultur gebunden war. Ferner
übten die deutschsprachigen Länder keine direkte Kontrolle über die Pädagogik der deutschen
Sprache und Literatur in Indien aus. Ausgehend von dieser These untersucht das Vorhaben, wie
in der Kolonialzeit an der Universität Mumbai das Fach Germanistik das Konvergieren dreier
unterschiedlicher Kräfte ermöglicht: Erstens, die britische imperiale Herrschaft, welche sich als
Vertreter des europäischen Zivilisationsprojekts durch die Annahme eines „kosmopolitischen“
Rahmens zu legitimieren versuchte, zweitens, das Wiederauftauchen der Chitpavan-Brahma-
nen, welche angesichts der sozialen Mobilität der unteren Kasten durch die britische Bildung
unter dem Gefühl der Niederlage und Angst litten, und drittens, die von ihren religiösen und
kulturellen Sorgen angetriebenen schweizerdeutschen Jesuiten in der Rolle als Curriculumge-
stalter und Prüfer. Der Beitrag wird versuchen, folgende Fragen zu untersuchen: Welche Rolle
spielen Deutsch und Wissen über Deutschland im Allgemeinen im Projekt der kolonialen Bil-
dung in Indien? Was besagt die Einführung des Deutschen als Zweitsprache an den indischen
Universitäten über die britische bzw. koloniale Bildungspolitik? Und was führt die Chitpavan
Brahmanen dazu, sich von Anfang an einen exklusiven Zugang zur deutschen Sprache zu si-
chern? Um drei wichtige Thesen des Vorhabens vorwegzunehmen, hoffe ich durch die Ausei-
nandersetzung mit der Vorgeschichte der Germanistik im Westen Indiens aufzuzeigen: Erstens,
dass die historiographische Überbetonung des anglo-deutschen Antagonismus zu sehr die auf
Wettbewerb beruhende Perspektive begünstigt und die „vergleichende bzw. komparatistische“
Bedeutung Deutschlands für das imperiale Zivilisationsprojekt der Briten in Indien verfehlt.
Zweitens, dass die deutschen intellektuellen Traditionen konstitutiv für die Selbststilisierung
des viktorianischen Großbritannien im 19. Jahrhundert waren, und drittens, dass eher das be-
reits seit dem 19. Jahrhundert vorhandene, durch die Briten vermittelte Wissen über die deut-
sche Geschichte bzw. die deutschen intellektuellen Traditionen als die Subversion der Kolonial-
herrschaft der Beweggrund für das Erwerben der deutschen Sprache unter den Chitpavan-
Brahmin-Intellektuellen war.


Stolpersteine bei der Übersetzung von deutscher Literatur ins Hindi
Namita Khere
University of Delhi

Die Geschichte der direkten Übersetzung deutscher Literatur ins Hindi ist knapp 100 Jahre alt.
Seitdem sind zahlreiche Werke veröffentlicht worden, aber eine Auseinandersetzung mit dem
Sprachenpaar Deutsch-Hindi liegt bislang nicht vor. Um einen Schritt in diese Richtung zu ma-
chen, sollen Schwierigkeiten bzw. Herausforderungen beim Übersetzen anhand einiger Werke
näher betrachtet werden. Dabei wird vor allem auf semantische, syntaktische und stilistische
Schwierigkeiten Bezug genommen, die beim Übersetzen auftreten; anhand konkreter Beispiele
sollen sodann Wege oder mögliche Lösungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten aufge-

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zeigt werden. Ziel ist es, eine Systematik zu entwickeln, die künftig Übersetzungen von deut-
scher Literatur ins Hindi erleichtert.
     Für dieses Vorhaben werden folgende Werke besprochen: Kaanch ke aansoo (Herta
Müller: Der Mensch ist ein großer Fasan auf der Welt), Bhookh ka vyakaran (Herta Müller:
Atemschaukel), Ek ajnabi se mulakaat (Begegnung mit dem Fremden: Eine Anthologie
deutschsprachiger Frauenliteratur, 1945 – 2014), Aur badi ummeed (Ilse Aichinger: Die größere
Hoffnung) und einige Texte, die Teil einer Anti-Faschismus-Anthologie sind.


Der gefangene Körper in Georg Kleins dystopischem Roman Miakro
Suman Singh
Aligarh Muslim University

Der Vortrag beschäftigt sich mit dem dystopischen Roman Miakro, in dem eine unterirdische
Arbeitswelt dargestellt wird. In diesem seltsamen Büro arbeiten Männer an Glasarbeitstischen.
Essen und Schlaf sind integraler Bestandteil des Bürolebens, das als ein geschlossener Raum
erfahren wird. Jenseits der Arbeitswelt gibt es eine wilde Welt, aber Fluchtversuche kommen
kaum vor.
     Miakro schildert eine dystopische Zukunft, wo die unbewusste Unfreiheit in der Ar-
beitswelt das Leben überwältigt hat. Franco Bifo Berardi setzt sich in seinem Werk ‚The Soul at
Work: From Alienation to Autonomy‘ mit den neuen Formen der Entfremdung des Körpers in
der Gegenwart auseinander, in der die Flucht bzw. Entfernung von der Arbeitswelt unmöglich
geworden ist. Anhand von Berardis Idee der Entfremdung des Körpers wird der Vortrag versu-
chen, den Roman thematisch und der Form nach zu untersuchen.


Die Krise der Fiktion in postfaktischen Zeiten: Wie lese ich Christa Wolf heute?
Om Prakash
Banaras Hindu University

Der Vortrag befasst sich in erster Linie mit der Frage des kontinuierlichen Stellenwerts der Fik-
tion in der postfaktischen Zeit, in der die Trennung zwischen dem Faktischen und dem Fiktio-
nalen immer unschärfer wird. Im Vordergrund steht die These, dass die Literatur, die trotz ihres
fiktiven Charakters immer einen legitimen Anspruch auf Wahrheit erhoben hat, heute noch
mehr kämpfen muss, um ihren ursprünglichen Status zu verteidigen. Im Anschluss an diese
These wird diskutiert, wie die Werke von Christa Wolf (insbesondere diejenigen, die sich mit
der realsozialistischen Wirklichkeit der DDR beschäftigten) zum Zeitpunkt ihrer Veröffentli-
chung von dem deutschen Publikum rezipiert und wahrgenommen wurden. Am Ende wird erör-
tert, ob die gewöhnliche Linse zur Betrachtung der Werke von Christa Wolf immer noch ange-
messen ist.






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Einsatz der vorhandenen Sprache beim Deutscherwerb – neue didaktische Perspektiven im
DaF-Unterricht in Indien.
Manusmriti Joshi
University of Delhi

In diesem Beitrag wird die Rolle des Konzepts der Mehrsprachigkeit im Fach DaF diskutiert.
Mehrsprachigkeitsforscher gehen davon aus, dass Fremdsprachenlernen effektiver ist, wenn
man bewusst auf bereits vorhandene Sprach- und Sprachlernerfahrungen zurückgreifen kann.
Die bereits vorhandenen Sprachlernerfahrungen helfen dabei, weitere Sprachen schneller zu
lernen.
       Nach der Mehrsprachigkeitsdidaktik sind die vorhandenen Sprachkenntnisse und
Sprachlernerfahrungen beim neuen Spracherwerb für die Lernenden sehr hilfreich. Wie heute
der Sprachunterricht neu ausgerichtet werden kann und wie man das Vorhandensein von vielen
Sprachen für das Deutschlernen nutzen kann, wird in dem Beitrag erlӓutert.
Diese Studie, die sich auf Interviews und Unterrichtsbeobachtungen stützt, führt zum
besseren Verständnis von Deutsch als Fremdspracherwerbprozess. Mit der Hilfe des Modells
der Mehrsprachigkeitsdidaktik, des dynamischen Modells von Multilingualismus und des Inter-
komprehensions-Modells werden Prozesse und Prinzipien des Sprachenwechsels gezeigt. Wie
die indischen DaF-Lernenden mit einer neuen lautlichen bzw. orthogaphischen Form konfron-
tiert werden und mit Hilfe der Erstsprache im Rahmen des kommunikativen Unterrichts
Deutsch lernen, soll anhand der empirischen Studie erklärt werden.
       Zum Schluß wird skizziert, welche Lernstrategien und Potenziale sich für den DaF Unter-
richt in Indien ergeben und welche Lernziele ( Autonomes Lernen) dabei an Gewicht gewinnen.




                             








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